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Russlandreise - Aerodynamik, brauche dringend Hilfe!!!
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fetthoblerOffline
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Anmeldungsdatum: 15.01.2013
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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:28    Titel: Antworten mit Zitat

Tag 3

Morgens aufgewacht, der Morgentau und die Sonne steigern die Vorfreude auf den kommenden Tag. Der Bick zum Ständer verblüfft. Kein Ölverlust. Die abgesägte Flasche ist trocken. Es liegt wahrschlich daran, dass das Motorrad nicht in Schräglage stand, denke ich... Ich verändere noch schnell die Höhe des Lenkrads, checke den Luftdruck, öle die Kette und los geht's zum Frühstücken und zur nächsten Bank um noch genug Schmiergeld für Russlands Beamten abzuheben.










Es ist ein sonniger Tag. Ich fahre rein nach Dänemark, weil ich mir nicht sicher bin, ob es sich um Mautstraßen handelt, stoppe ich und frage deutsche Touristen.
Das Motorradfahren macht immer noch keinen Spaß, ich genieße die sich wandelnde Landschaft und das Wetter, aber dieses intensive Freiheitsgefühl kommt nicht auf, vielleicht liegt es immer noch an den Ländern Deutschland und Dänemark, die hoffnungslos überbevölkert sind.
So langsam machen sich erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar, ich fahre im Stehen. Bis auf einen stechenden Schmerz in meiner rechten Schulter ist soweit alles ok, bis auf die üblichen Verspannungen im Rücken, mit der Sporttasche hinter dem Rücken, habe ich eine gute Lendenwirbelstütze. Der Rücken ist soweit noch fit, nur die Schulter macht mir Sorgen. Wenn ich den Arm absenke, verschwindet der Schmerz, hebe ich sie wieder an, kommt es wieder nach ca. 10 Minuten. Leider ist das nur in der rechten Schulter der Fall. Ich kenne das auch vom Gleitschirmfliegen nur zu gut...
Deshalb wünsche ich mir schnell, dass der Gasgriff links ist, nicht rechts, dadurch wäre die Fahrt für mich viel angenehmer, weil ich meinen rechten Arm absenken könnte. Deshalb halte ich an, senke den Lenker etwas ab und probiere eine andere Spoilerkonfiguration der Windschutzscheibe aus. Die alte Konfiguration, die eigentlich als Prototyp vorgesehen war, funktioniert trotzdem besser, also wieder tauschen. Jedoch hat dieser selbstgebastelte Spoiler aus Plexiglas schon viele Risse, ich frage mich, ob er die Tour durchsteht. Jetzt bin ich mit dem Setup des Motorrads soweit ganz zufrieden. Außer Änderungen an der Federvorspannung vorne und hinten werde ich nichts mehr ändern. Das Zug- und Druckstufensetup ist auf Langstreckenkomfort eingestellt und ist viel komfortabler als so manches Auto. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Motorrad mit noch mehr Fahrwerks- und Sitzkomfort gibt... Die KTM ist wie eine S-Klasse.





In Dänemark wird das Wetter schon deutlich frischer. weiter geht's über die zwei großen Brücken nach Malmö, da ich die letzten Tagen herumgetrödelt habe, muss ich heute eigentlich noch einiges bis nach Tranas fahren. Kaum fahre ich über die Nordsee nach Malmö, fängt es an zu regnen, und es wird für lange Zeit nicht aufhören! Ich stoppe gleich nach der Brücke, andere Motorradfahrer stehen auch hier, wieder Chopper, wieder arrogant bis unter den Metallhelm...


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fetthoblerOffline
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Anmeldungsdatum: 15.01.2013
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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:28    Titel: Antworten mit Zitat

Mein Problem ist aktuell nicht der Regen, sondern die Navigation. Ich habe kein Navi, keine Karte. Vor der Tour habe ich mir ein Smartphone gekauft, damit ich kein teures Navi kaufen muss. Die Idee war das Smartphone als Navi zu nutzen und diverse Karten vorab herunterzuladen. Leider hatte ich keine Zeit mich mit diesem Thema zu beschäftigen, somit habe ich am Tag vor der Abreise die ungefähre Strecke bei GoogleMaps eingegeben und ca. 37 DINA4 Seiten ausgedruckt. Soweit, so gut. Ich habe jedoch den Fehler gemacht, den Maßstab zu verändern, weil bei GoogleMaps selten Städte eingezeichnet sind. Daher musste ich z.B. bei dünnbesiedelten Gebieten herauszoomen, wie in Schweden, Finnland oder Russland. Das bedeutet, dass ich kein Gefühl für die Entfernungen habe. Großer Fehler! Speziell in Ländern, die es nicht so akkurat mit der Beschilderung nehmen.
Die Fahrt durch Schweden ist super, leere Straßen und dieser herrliche Duft der Laub- und Nadelwälder lassen einen den Regen vergessen.
Meine Winterhandschuhe waren bereits nach einer viertel Stunde durchnässt, deshalb fahre ich ohne Handschuhe und wärme meine linke Hand so gut es geht an der warmen Abluft des Wasserkühlers der KTM. Die Regenjacke hält halbwegs, nur läuft einem manchmal der Regen in den Rücken, sonst ist die Fahrt eigentlich ganz angenehm. Eine Griffheizung wie ich es bei einem anderen Motorrad an der Tanke gesehen habe, wäre aber auch nicht übel und sicher eine gute Investition.

Aufgrund der Situation mit den Google-Maps Karten, und die daraus resultierende falsche Einschätzung der Entfernungen, kann ich mein heutiges Etappenziel in Tranas nicht erreichen. Ich finde eine nette Gaststätte am Waldesrand mit einem guten Abstellplatz für das Motorrad. Abends gehe ich etwas laufen um meinen Rücken wieder in Form zu bringen. Morgen darf ich um 17 Uhr meine Fähre nach Helsinki in Stockholm nicht verpassen, sonst habe ich ein Problem.

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Anmeldungsdatum: 15.01.2013
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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:29    Titel: Antworten mit Zitat

Tag 4

Ich frühstücke mit dem Blick auf einen Freibad, die Temperatur beträgt ca. 15°C, es regnet immer noch. Was mich jedoch hier verblüfft, ist dass die Schüler trotz des Regens im unbeheizten Freibad schwimmen müssen, in Deutschland gibt es das nicht einmal bei der Bundeswehr, zumindest bei der Luftwaffe!
Trotz miesem Wetters spielen die Schweden Minigolf. Ich denke, dass die Schweden sich mit dem Wetter gut arrangieren können und sich dadurch nicht die Laune vermiesen lassen.



Es überrascht mich, dass das Motorrad kein Öl zu verlieren scheint, es stand die Nacht lang auf dem Seitenständer und es ist kein Öl wie üblich ausgelaufen, ich kontrolliere den Ölstand, der passt. Die KTM scheint sich auf der Langstrecke sehr wohl zu fühlen, dafür wurde das Motorrad ja auch konstruiert!

Heute führt die Tagesetappe nach Stockholm, um 17Uhr legt die Fähre Richtung Helsinki ab. Die Etappe scheint nicht lang zu sein, nur ca. 400km, einen Abstecher nach Tranas um kurz noch alte Bekannte zu besuchen sollte allemal drin sein. Es regnet immer noch, das Fahren bei Regen macht mir nichts aus, es gefällt mir manchmal sogar, wenn doch nur die Sicht besser wäre...





Die Strecke führt wieder durch endlose Wälder, die Straßen sind im Vergleich zu Deutschland und Dänemark wie leer gefegt. Es duftet herrlich nach Nadelwäldern. Wenn der Zeitdruck nicht wäre, könnte ich es mehr genießen, aber ich muss jetzt richtig Boden gut machen, wenn ich noch nach Tranas will. Ich bin nämlich erst um 11:30 Uhr losgefahren.
Die Handschuhe sind wieder durchnässt, also weg damit. Ohne Handschuhe werden die Hände sowieso schneller durch den Wasserkühler warm. Nur die rechte Hand kriege ich nicht mehr warm. Eigentlich müsste ich anhalten und mich wärmer anziehen, die Regenjacke ist schon lange durchnässt, mir läuft das Wasser den Rücken herunter, egal, auf nach Tranas! Die letzten Kilometer auf der kleinen Landstaße sind eine Freude mit der KTM, im Radius unterschiedliche Kurven, Hügel rauf, Hügel runter, es regnet immer noch und da ich in Zeitnot bin, übe ich das Überholen von Autos. Es geht spielerisch mit der KTM und ist gar nicht mehr so beängstigend, wie vor einem Monat, als ich meinen ersten Corsa überholt habe. Trotz des Regens und des Gewichts, oder gerade deswegen, liegt die KTM satt auf der Straße. Nur habe ich beim Bremsen starke Vibrationen auf der Vorderachse, fühlt sich an, als wären die Bremsbeläge fertig. Die Hinterachsbremse benutze ich noch kaum, kann mich irgendwie nicht so richtig dran gewöhnen, nicht dass die Flugrost ansetzt Smile. Angekommen in Tranas hatte ich lediglich Zeit für eine Tasse Tee und einen kleinen Plausch.



Jedoch habe ich wieder vergessen mich wärmer anzuziehen. Somit wird die Weiterfahrt zur Tortur.
Mir läuft die Zeit davon, ich muss nach Stockholm, es wird knapp, dann muss ich mich noch durch den Verkehr in Stockholm ohne Navi kämpfen, mein ausgedrucktes "Kartenmaterial" ist nur noch ein Bündel nasses Papier, zum Glück habe ich heute vor der Abfahrt die Karte von Stockholm bereits auf meinem Tankrucksack aufgelegt. Ich fahre schneller und schneller, langsam werde ich nicht mehr überholt, jetzt bin ich am Zug, 15 Uhr, es regnet stärker, die Sicht ist kaum noch vorhanden, egal, volles Risiko, ich muss auf die Fähre... 15:50 Uhr ich erreiche Stockholm, der Verkehr ist dichter als erhofft. Noch ca. 1 Stunde bevor die Fähre ablegt. Zunächst dachte ich, dass ich mich verfahren habe, ich bin über den Maßstab der Karte verunsichert. Aber auf der KTM hat man einen hohe Rundumsicht, ok, die Brücke in 1km Entfernung müsste es sein, dann rechts, etc... Wie durch ein Wunder komme ich gut durch den Verkehr, nicht wie in Stuttgart vor einigen Tagen. Die Fahrpraxis zahlt sich langsam aus. Da ist die Fähre! Ich habe es geschafft!

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Anmeldungsdatum: 15.01.2013
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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:30    Titel: Antworten mit Zitat

Denke ich zunächst, ich gehe zum Check in Counter im Hauptgebäude, der Herr bittet mich darum doch bitte direkt auf die Fähre aufzufahren, er sagte, ich habe noch 30 Minuten. Raus in den Regen, rauf aufs Motorrad, die Fähre ist direkt vor mir, dürfte nicht so schwer sein. Ich sehe wie einige Autos auf die Fähre fahren. Ich fahre die Straße am Anleg-Kai hin und her, kann die Auffahrt jedoch nicht finden, die meisten Wege führen in eine Sackgasse, ich fahre vor zum Zaun, die Autos fahren an mir vorbei auf die Fähre auf, aber ich sehe immer noch nicht, von wo sie kommen... Ich frage diverse Personen in der Umgebung, keiner kann mir helfen, es ist 16:50Uhr, mittlerweile fahre ich hektisch, alle Verkehrsregeln und Absperrungen missachtend immer wieder die gleichen Sträßchen ab, aber finde die Auffahrt nicht. Als ich dann endlich die Zufahrt gefunden habe, fahre ich wie ein Irrer auf die Kontrollpforte zu, in dem Moment schaltet das Licht auf ROT, die Schranke senkt sich, ich mache kurz davor halt. Renne zum Pförtner, frage ihn, ob ich durchfahren kann. Er kommuniziert mit dem Schiff, negativ! Er sagt: "In jedem Moment legt die Fähre ab!"



Ich kann es nicht fassen! Eigentlich lasse ich Emotionen selten freien Lauf, aber da musste es raus, das musste ein Anblick gewesen sein:

Ich bin erst kurz über dem Motorrad zusammengesackt, dann habe ich mehrfach gegen den Lenker gehauen. Der Pförtner hat gemerkt, dass hier etwas nicht stimmt. Ich habe ihm kurz meine Situation erklärt, dass ich schon lange unterwegs bin und auf keinen Fall diese Fähre hätte verpassen sollen, ich verliere einen Tag, das Geld ist dahin, es regnet, ich bin schmutzig total durchgefroren, leicht erkältet und hungrig. Er meinte, dass es ihm leid tue und er nichts machen kann.
Ich weiß nicht, wie viel Erschöpfung mein Gesicht in diesem Augenblick ausgestrahlt hat, aber dann meinte er, dass er mich auf einer anderen Fähre unterbringen kann, die legt in zwei Stunden nach Turku ab. Es kam mir vor wie ein Wunder... Ich konnte mein Glück nicht fassen, Turku ist nur ca. 2,5 Stunden von Helsinki entfernt. Besser geht's nicht!
Daraufhin bin ich in den nächsten Supermarkt um mich auszuruhen und aufzuwärmen...



Ich saß im Eingangsbereich auf einer Bank und habe mir die nassen Klamotten ausgezogen. Daraufhin kam der Pförtner rein, um sich was zum Essen zu holen. Ich lud ihn auf ein Essen in einer nahegelegenen Kantine ein. Wir plauderten etwas, also wieder raus in den Regen, die Fähre nach Turku legt schon bald ab. Ich war noch nie auf einer Fähre unterwegs und bin echt gespannt was mich so erwartet...
Ich stehe in der Warteschlange mit ca. 6 anderen Motorrädern, eines mit russischen Kennzeichen, kommt gerade auf seinem Gold-Wing-Ähnlichen-Gefährt aus Norwegen und ist auf dem Weg nach Moskau.
Zeit sich ein paar Tipps vom Profi abzuholen dachte ich...
Was mich brennend interessiert ist der Umgang mit russischen Beamten. Ich erkläre ihm, dass ich 250€ in 10€ Scheinen vorbereitet habe, das sollte reichen, meint er. Ich soll es nicht als Bestechung, etc. ansehen, als vielmehr eine inoffizielle Mautgebühr.
Dann bespreche ich noch mit ihm wie ich mich richtig bei den Grenzposten und den Polizeikontrollen verhalten soll. Wir sind so verblieben, dass es wohl die beste Strategie sein wird, dass ich mich als ein naiver Deutscher ausgebe, der die Schönheit Russlands entdecken möchte und keinen Ärger haben will. Klingt gut, diese Rolle kann ich spielen. Zudem sagt er mir, welche Tankstellen in Russland vertrauenswürdig sind und wo ich keinen minderwertigen Sprit bekomme.

Die anderen Motorradfahrer scheinen viel Erfahrung mit Reisen auf Fähren zu haben. Die haben ihre nötigen Sachen für die Nacht auf der Fähre bereits in kleinen Trolleys oder Taschen vorbereitet und sind ruck-zuck verschwunden. Ich hingegen muss mir zunächst mal überlegen was ich brauche und wo ich es in den vielen Taschen finden kann.



Endlich in der Kajüte angekommen, erstmal eine heiße Dusche genommen und dann etwas gegessen.
Danach muss ich mich mal um meinen Rücken und Schulter kümmern, die sind schon von der ungewöhnlichen Belastung ziemlich verkrampft. So widme ich den ganzen restlichen Abend der Gesundheit meines Rückens.
An Schlaf ist nicht zu denken, es ist viel zu laut in der Kajüte.

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Anmeldungsdatum: 15.01.2013
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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:31    Titel: Antworten mit Zitat

Am nächsten Morgen merke ich, dass die zunächst leichte Erkältung stärker geworden ist, spitze! Egal, das wird schon, der Regen scheint aufgehört zu haben, endlich, die teilweise noch nassen Klamotten werden durch den Fahrtwind auf dem Weg nach Helsinki schon trocken werden. Ich freue mich auf die Fahrt, ich bin zwar erkältet, aber meinem Körper geht es insgesamt etwas besser und vor allem, es gibt keine Fähre, etc., die ich erreichen muss. Ich habe alle Zeit der Welt und kann mir den Tag einteilen wie es mir passt. Geht es mir gut, fahre ich, wenn nicht, mache ich Pause, ganz einfach... Meine Uhr brauche ich jetzt nicht mehr und verstaue sie in meinem Gepäck, jetzt lasse ich mich einfach treiben, frei nach dem Motto: Der Schnee fällt, jede Flocke auf ihren Platz...

Es ist viel kälter als gedacht, es sind vielleicht 10°C und hohe Luftfeuchtigkeit, ziemlich ungemütlich und alles andere als Gesund, selbst schuld. Die Fahrt nach Helsinki wird trotzdem zum Erlebnis: Ich bestaune Wolkenformationen, wie ich Sie zuvor noch nie gesehen habe, es liegen mehrere extrem tief hängende Wolkenschichten übereinander, die jedoch so dünn sind, dass die Sonne mühelos hindurch scheint. Ziemlich beeindruckend, die Fahrt nach Helsinki schaue ich mehr nach oben als auf die Straße, ist aber auch egal, die Schnellstraße ist sowieso leer. Hätte ich mir noch einen vernünftigen Regen-Overall gekauft, wäre es noch besser... Jedoch bin ich nicht auf die Idee gekommen, irgendwo in Turku oder Helsinki in einen Motorradladen reinzufahren und mich besser auszustatten. Dumm von mir.

Nach dem Mittagessen mit den Arbeitskollegen geht es weiter.



Die Innenstadt von Helsinki kenne ich bereits ganz gut, deshalb habe ich mich entschieden diese zu meiden.

Eigentlich hatte ich vor über St.Petersburg nach Russland einzureisen, dort hätte ich eine gute Übernachtungsmöglichkeit. Jedoch war ich erst Mitte Juli in Kiew und wollte meinem Urlaub keinesfalls mit Verkehrschaos und Staus konfrontieren. Deshalb habe ich mich entschlossen, weiter nördlich in Finnland die Grenze nach Russland zu überqueren.
Wie es sich bald herausstellte, war es die richtige Entscheidung, denn als ich die Abzweigung nach Vyborg passiert habe, wurde das Verkehrsaufkommen deutlich geringer. Die Landschaft ändert sich erneut, oder es kommt mir einfach nur so vor, weil die Sonne wieder richtig rausgekommen ist. Es gibt jetzt mehr Wiesen und Seen, ich fahre diverse Campingplätze an, jedoch sind die nicht nach meinem Geschmack. Dann dachte ich mir, ok, fährst noch einen an, wenn der auch nichts ist, dann eben wieder wildcampen irgendwo am See, auch gut.
Der nächste Campingplatz ist etwas außerhalb, soll aber laut Karte genau an der russischen Grenze liegen und der nächste Grenzposten ist auch nicht weit.
Nichts wie hin, dorthin führt ein ca. 20km langer Schotterweg... Hier beginnt der Spaß. Die Sonne ist am Untergehen, die Straßen sind leer, es geht rauf und runter, mal etwas Asphalt, mal Schotter, sehr flüssig zu fahrende Kurven, eine wunderschöne Landschaft breitet sich vor mir aus, kleine Weißbirken-Wälder, Seen, Wiesen, es ist alles da. Das ist der erste Zeitpunkt, an dem mir das Motorradfahren richtig Spaß macht. Yeehaaa! Weil es so schön war, fahre ich die Strecke nochmals ab, ein Traum! Es ist meine erste Fahrt auf Schotter und mit der KTM macht es einfach nur Spaß.







Dann erreiche ich einen der schönsten Campingplätze überhaupt: Papinniemi. Dieser Campingplatz liegt auf einer dünnen Landzunge inmitten eines Sees. Es gefällt mir auf Anhieb, der westliche Teil der Landzunge ist perfekt um Sonnenuntergänge zu schauen, der östliche Teil ist perfekt für Sonnenaufgänge. Der Pächter ist ein junger Finne samt Freundin, die beiden sind mir auf Anhieb sympathisch, gutes English, mit denen kann man eine gute Zeit haben. Er hat eine LC4 auf Berlin importiert, hat aber keine Zeit damit zu fahren. Zudem gibt es Wlan und den teuersten Burger, den ich je gegessen habe. Das Fleisch wird einen Tag lang langsam gegart, so dass es auf der Zunge schmilzt...
Ich springe in den kristallklaren See und beschließe mehrere Tage hier zu bleiben, es ist ein toller Ort mit tollen Menschen.















Bis ich abends nochmals die Wettervorhersage checke, nun, es scheint so, als würde mich das schlechte Wetter aus Schweden einholen. Ab morgen vormittags ist Regen vorausgesagt und das soll auch die kommenden Tage so bleiben.
Dann muss ich morgen doch aufbrechen, sehr schade wie ich finde. Ich wäre zu gerne hier geblieben.

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Anmeldungsdatum: 15.01.2013
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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:31    Titel: Antworten mit Zitat

Der nächste Tag

Am nächsten Morgen stehe ich Früh auf um der erste am Grenzübergang zu sein, die morgentlichen Vorbereitungen laufen mir mittlerweile schnell und leicht von der Hand. Ich setze mich auf das Motorrad, möchte losfahren, es springt nicht an...
Es scheint so, als hat das Ladegerät des Handys meine Batterie über Nacht leergesaugt. Was mache ich jetzt, es sind noch zwei, drei andere Camper auf dem Platz, aber die schlafen alle. Jemanden aufzuwecken möchte ich nur ungerne. Zudem fällt wieder mal mein Motorrad um, beim Rangieren komme ich mit dem Gewicht nicht klar und meine Knie geben nach...



So warte ich etwas, bis ich einen Finnen entdecke, der sich vorbereitet um im See schwimmen zu gehen, perfekt, ich spreche ihn auf ein Starthilfekabel an, negativ. Er möchte bei anderen Campern nachfragen, ich möchte das nicht, er macht es trotzdem, ok, bald haben wir ein Starthilfekabel, als, los geht's:
Ich klemme die Pole an, dann er, zuerst den einen, dann den anderen...

BANG!

Es schlägt ihn zurück, Funken sprühen, der eine Pol bleibt an der Batterie, der andere fällt ihm aus der Hand und landet auf dem Edelstahl-Rammbügel des Campervans, wieder Funken(Da wahrscheinlich Masse). Der Finne ist ok, es riecht irgendwie nach verbranntem Haar, ist wahrscheinlich der Bart des Finnen Smile
Ich denke mir: "Meine Batterie ist sicher auch abgeraucht, Mist!"
Niemandem ist was passiert, was ist schief gelaufen? Als ich die Pole an meiner Batterie angeklemmt habe, habe ich mich von den Hinweisen auf der Batterieverkleidung leiten lassen. Die tatsächliche Polarität der Batterie steht unter der Verkleidung, somit die Pole vertauscht, wie dumm von mir. Also noch ein Versuch. Diesmal gibt es kein Funkenregen, alles in Ordnung. Mit dem Lärm wecken wir noch die restlichen Camper auf. Das ist mir alles sehr unangenehm, doch meine Batterie ist heil geblieben.
Zu allem Übel entdecke ich noch Spuren des ersten Starthilfeversuchs an dem Camper des Finnen. Als das eine Pol beim Fallen mit dem Edelstahlgrill in Kontakt kam, hat die hohe Stromstärke richtige Kerben ins Material geschlagen, daher auch die Funken. Der schöne Edelstahl-Rammbügel ist nicht mehr...
Ich biete ihm an den Schaden zu ersetzten, schreibe meine Adresse und Telefonnummer auf, er soll den Schaden reparieren lassen und mir die Rechnung schicken. Da er kaum Englisch spricht, versteht er mich zunächst nicht. Seine Frau spricht jedoch fließend Deutsch, ich erkläre ihr die Situation, einen Augenblick später kommt Sie aus dem Van, drückt mir eine kleine Bibel in die Hand und meint, dass es schon ok sei und ihr Mann den Schaden mit Schleifpapier behebt, "Gott sei mit Dir".
Ich kann es nicht akzeptieren, weil die Kerben mit Schleifpapier nicht so einfach repariert werden können...
Am Abend zuvor haben schon einige Finnen verwundert reagiert, als sie hörten, dass ich nach Russland fahren möchte. Sie denken, dass ich spinne. Keiner von ihnen möchte freiwillig in dieses Land. Wahrscheinlich habe ich deshalb auch noch eine Bibel in die Hand gedrückt bekommen.

Ich breche mit zwei Stunden Verspätung Richtung Grenze auf, diese finnischen Sträßchen sind traumhaft und wie vorausgesagt, fängt es auch schon an zu regnen.

Angekommen an der Grenze überrascht es mich, dass vielleicht gerade mal 20 Autos an der Grenze warten und die Abfertigung recht schnell geht. Als ich dran bin, erinnere ich mich an die Worte des Russen, den ich auf der Fährenzufahrt in Stockholm getroffen habe: "Sei ein naiver Deutscher, der versucht die russische Sprache zu lernen."
Alles klar, dachte ich mir, mit Englisch kommst Du sicher weit... Falsch gedacht. Die Grenzposten sprechen nur Finnisch und Russisch, wir verständigen uns mit Händen und Füßen, einige freiwillige "Dolmetscher" versuchen mir zu helfen. Dann habe ich mich in einer falschen Schlange angestellt und falsche Zoll-Dokumente vorbereitet.
Also wieder zurück, die Vordrucke holen. Die Vordrucke sind auf Russisch oder Finnisch. Ich dachte mir, ok, ist kein Problem, Du kannst ja etwas russisch, die Dokumente füllst Du schnell aus. Voller Tatendrang fange ich an die Dokumente auszufüllen...
Es hat sich wohl herumgesprochen, dass ich keine der beiden Sprachen zu sprechen scheine, ins Häuschen kommen zwei Russen und versuchen mir in sehr schlechtem Englisch dabei zu helfen die kyrillischen Buchstaben zu entziffern. Ich bin den Herren dankbar und versuche ihnen mitzuteilen, dass ich die Unterlagen irgendwie schon ausfüllen werde. Sie wollten aber bis zum Schluss bleiben und mir helfen. Ich bin vor Scham ganz rot angelaufen. Da ich zu Beginn das Spiel als ein Deutscher angefangen habe zu spielen, muss ich es jetzt auch bis zum Schluss durchziehen, sonst könnte dies meiner allgemeinen Gesundheit schaden. Wenn die jetzt herausbekommen, dass ich etwas russisch spreche und auch lesen kann, hätte das sicher Folgen. Es war sehr seltsam, einerseits habe ich alles verstanden, andererseits musste ich so tun, als hätte ich keine Ahnung.
Ich bin von der Hilfsbereitschaft der Leute gerührt und bin mir ziemlich sicher, dieses falsche Spiel nicht mehr spielen zu wollen.

Das Motorrad wurde vorschriftsmäßig untersucht, alles ok. Da war nur noch die Frage nach der Versicherung offen. Meine deutsche Versicherungsgesellschaft hat sich nämlich nicht bereit erklärt mich in Russland zu versichern, Länder wie die Ukraine, etc., überhaupt kein Problem, Russland dagegen schon. Meine deutsche Versicherung sicherte mir aber zu, dass es überhaupt kein Problem ist eine temporäre Versicherung an der Grenze abzuschließen. Ich mache mich also schlau. Erfahre, dass es tatsächlich so ist, 3 Kilometer nach dem Grenzposten gibt es einige Büros, welche dies anbieten. Super! Nichts wie hin.
Rauf aufs Bike, Erstkontakt mit den russischen Straßen, oha denke ich mir, die Straße ist wie ein Mienenfeld, der Blick ist ab sofort immer auf die Straßenoberfläche gerichtet. Wie ein Radar macht mein Kopf jede "Miene" aus und berechnet den optimalen Weg um diese zu umfahren, doch Vorsicht, es kommen einem immer wieder irre LKW Fahrer entgegen, die ein hohes Tempo fahren und die gesamte Straßenbreite für sich beanspruchen. Das Fahren im Sitzen wird auf dieser Piste sehr unkomfortabel, deshalb muss ich mir jetzt langsam angewöhnen mehr als nur 10% der Fahrt im Stehen zu fahren. Ich fahre zum ersten Mal in Russland ein Fahrzeug, jetzt müssten eigentlich die ganzen Youtube-Dashcam-Videos in meinem Kopf wie Warnhinweise aufpoppen und mich davor warnen was alles passieren kann, tuen sie aber nicht. Smile
Angekommen in der nächsten Ortschaft gibt es einige Häuschen die irgendwas zu verkaufen scheinen. Es stehen Schlangen von Menschen an, hier scheint es tatsächlich Versicherungen zu geben. Klasse!
Nach einer Weile bin ich endlich dran, die "nette" Frau schaut mich an und sagt mir, dass sie kein Experte für Motorrad-Versicherungen ist, ich soll mich doch bitte in einer anderen Schlange anstellen.
Es ist ja nicht so, dass die Frau mich in voller Motorradmontur mit meinem Helm in der Hand nicht hat stehen sehen, aber egal, so ist das in Russland. Es wird nicht versucht einem das Leben möglichst einfach zu machen, sondern im Gegenteil, das kenne ich aus anderen Russland-Reisen. Daran sollte ich mich gewöhnen.
Also wieder anstehen. Als ich endlich dran bin, schaut die Frau verwundert meine Dokumente an und fragt mich, aus welchem Land ich den komme und wohin es geht. Es hat sich herausgestellt, dass nur Versicherungen für russische Bürger, welche in die EU reisen wollen, angeboten werden. Ich habe bei allen Versicherungsunternehmen hier angefragt, immer dieselbe Antwort: "Wir haben das vor Jahren mal angeboten, aber versuchen Sie es doch einfach in der nächsten Stadt, die 2 Stunden Fahrt von hier entfernt ist, eventuell finden Sie dort was."

Mein Gehirn fängt an zu rattern... Der rationale und spießige Deutsche auf meiner linken Schulter: "Was machst Du hier? Bist Du bescheuert?", der Abenteurer in mir: "In die nächste Stadt fährst Du garantiert nicht, Ärger ist vorprogrammiert und pure Zeitverschwendung." Die Argumente der rationalen Gehirnhälfte verblassen angesichts der Situation und meinem geografischen Standpunkt, weiter geht's.

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, was mich an diesem Tag noch alles erwartet...

Die Straßen werden besser, wenn nicht sogar einfach traumhaft, Karelien ist ein Traum, riesige Seen, perfekte Straßen in österreichischer Qualität, kaum Verkehr. Links rechts, auf und ab mitten durch schöne Wälder und kleine Ortschaften, das Wetter ist perfekt. Das Motorradfahren macht jetzt richtig Spaß, alle körperlichen Schmerzen sind vergessen, ich will nur noch fahren, fahren und fahren. Ich bin fernab der Hauptverkehrsrouten unterwegs, keine langweiligen Schnellstraßen mehr, etc. Ein großes Gefühl von Freiheit erfüllt mich. Die Tatsache einfach hier und jetzt auf diesem Motorrad zu sitzen und diese Tour zu machen, einfach traumhaft.

In einem kleinen Dorf kommt mir eine Gruppe nicht russischer KTM und GS Fahrer entgegen, alle winken freundlich, scheint eine geführte Tour zu sein. Macht sicher auch viel Spaß, wenn alles um einen herum perfekt organisiert ist.


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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:32    Titel: Antworten mit Zitat

Als die neuen Straßen Kareliens aufgehört haben, fangen die echten russischen Straßen an, ist man einen Augenblick nicht konzentriert, passiert folgendes: Ein riesen Schlag, so dass der linke Alukoffer sich bei ca. 100km/h löst und davon fliegt. Ich bin nicht vom Bike geflogen, komme ca. 150m davon entfernt zum Stehen und gehe zu Fuss auf Alukoffer-Suche. Es hat sich herausgestellt, dass eine Schraube schon lose war und das Ende vom Gewinde einfach abgebrochen ist. Somit habe ich zunächst mal meinen Werkzeugkoffer rausgeholt und alle anderen Schrauben nach gezogen.
Die Felgen scheinen nichts abgekommen zu haben. Die KTM lacht sicher über meine miesen Fahrkünste, jedoch werden sie immer besser und besser. Ich traue mir langsam mehr als nur 1° Schräglage zu Smile, jedoch fällt mir weiterhin das Vertrauen in das Bremsen. Wenn beim Autofahren die Räder an der Vorderachse beim Bremsen anfangen stehen zu bleiben(Ich habe viel Rennstreckenerfahrung in einem sehr leichten Auto ohne Bremskraftverstärker, ABS, etc. gesammelt), ist es kein Drama, dies ist sogar die Essenz des Autofahrens wenn man möglichst spät vor der Blockiergrenze des Rades bremst, das Rad sich dabei aber noch dreht, nur viel langsamer als es sein sollte... Vorausgesetzt die Bremsbeläge sind in ihrem Temperaturfenster, das Fahrzeug vermittelt einem genug Gefühl durch das Bremspedal/Chassis/Lenkung und man weiß was man tut.
Beim Motorrad sieht das jedoch ganz anders aus. Mir fehlt das Gefühl für die Haftgrenze, die schwer einschätzbaren Vibrationen gefallen mir nicht und sind nicht gerade vertrauensfördernd. Zudem möchte ich das volle Potenzial der Bremsen in dieser Umgebung nicht ausprobieren. Das nächste Krankenhaus ist weit entfernt, es gibt keine Telefonverbindung, etc. Deshalb weiterhin schön vorausschauend fahren und keine großen Risiken eingehen!

Die Straßenverhältnisse können nicht unterschiedlicher sein, mal guter Asphalt, mal festgefahrener Sand, ein guter Mix aus allem, es macht super viel Spaß, kostet aber Kraft, weil ich nicht locker bin. Ein Dauergrinsen unter dem Visier stellt sich ein.
Es ist Nachmittag, an einem Strand beschließe ich Rast zu machen.
Die KTM gräbt sich im Sand fest und fällt mal wieder zig Male um. Es kommt ein Gefühl für die harte Schwerstarbeit der Paris-Dakar Fahrer auf. Mein Respekt!



Die Straßen sind ziemlich leer, hin und wieder kommt mal ein Auto entgegen, man fängt an die Weite Russlands zu fühlen. Die Straßenverhältnisse lassen bei mir Gedanken aufkommen, doch viel eher bei meinem Großvater anzukommen, als zu nächst geplant. Jedoch werde ich wieder mal mit meinem Navigationsproblem konfrontiert. Die Entfernungen sind sehr schwer zu greifen, weil ich wie schon eher beschrieben einfach Ausdrucke von Google-Maps verwende und dabei unterschiedlichste Maßstäbe verwende. Die Entfernungen sind sehr schwer einzuschätzen, die nächste Stadt kann entweder 150km oder 400km entfernt sein, ich weiß es nicht. Verkehrsschilder gibt es nicht. Die Angaben der Passanten in den Dörfern zu Entfernungen werden mir nicht Kilometern, sondern in Stunden angegeben.





So habe ich beschlossen in die nächste Stadt zu fahren um in einem Hotel unterzukommen. Es ist bereits nach 18 Uhr, ich sitze nun schon seit 10 Stunden im Sattel(Abgesehen von der Wartezeit an der Grenze). Ich sehne mich nach der nächsten Stadt mit Hotel, auf den russischen Straßen zählt jeder Kilometer mindestens 4-fach, die Belastung für Mensch und Maschine ist nicht ohne.
Plötzlich hört die Straße einfach auf. Ja, einfach so. Aus einem Mienenfeld ist jetzt eine Sand- und Schlammpiste geworden, ich fahre zunächst ein paar hundert Meter weiter, bleibe aber dann doch stehen. Ich denke nach, ob ich mich nicht irgendwie verfahren habe, eventuell habe ich falsch abgebogen, es kann einfach nicht sein, dass dies die Straße in die nächste Stadt ist. Die Straße ist schlichtweg nicht vorhanden. Ok, zurückfahren möchte ich nicht, ich beschließe einfach weiterzufahren. Laut Google Maps sollte dies eine gute Straße sein. Die Rüttelpiste ist echt heftig, was bin ich froh, nicht auf meine Eltern gehört zu haben und das Auto zu nehmen. Mein Auto wäre schon längst auseinandergefallen(Siehe Top Gear Africa Special 2013). In diesem Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass die KTM diese Fahrt übersteht. Ich frage mich, wann die KTM anfängt in ihre Einzelteile zu zerfallen.

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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:33    Titel: Antworten mit Zitat

Die Straße wird immer schlimmer, der Sand immer weicher. Ich quäle mich im Schritttempo über diese "Straße", mal ist der Sand feucht, mal fest, mal lose, mal etwas tiefer. Die Löcher in der Straße sind kaum zu sehen, weil die Sonne schon so tief steht und die Wälder außenherum die Schatten und Konturen im Sand verschwinden lassen.
Als Folge falle ich mehrfach vom Motorrad, der Vorderreifen gräbt sich entweder im Sand ein, oder ich werde zwangsläufig langsamer und kann dann aufgrund der Erschöpfung das Gewicht des Motorrads nicht mehr halten und falle einfach um, dann verliert das Motorrad wieder Benzin, etc.. Nach dem gefühlten 10 Umfallen des Motorrads, stehe ich völlig fertig am "Straßenrand" und warte bis jemand kommt um ihn nach dem Weg fragen zu können. Irgendwann kommt ein vollbeladener Kamaz angerauscht, der eine riesige Staubwolke hinter sich herzieht. Ich zwinge ihn zum Halt, der Fahrer ist außer sich vor Wut. Meint, dass er hier nicht halten darf, weil er sonst den Schwung verliert und stecken bleiben kann. Ich frage ihn ob dies tatsächlich die Straße nach Vitegra ist. Er lacht und meint, ja, das ist sie tatsächlich und ich soll doch froh sein, dass es nicht regnet, sonst ist es einfach nur eine Schlammwüste. Er fährt weiter, ich muss warten bis die Staubwolke sich senkt, sonst finde ich mein Motorrad nicht mehr. Es ist nach 20 Uhr, ich stehe erschöpft am Motorrad und denke nach, ob ich nicht hier einfach zelten soll, weit und breit ist kein Mensch und ich brauche dringend meine Ruhe. Essen, einen Gaskocher alles ist da, nicht weit ist ein Fluss, dort könnte ich Wasser holen.
Reicht mein Sprit um weiter zu fahren? Bei dem Tempo säuft die KTM noch viel mehr als sonst und die Nacht bricht herein. Nachts ohne Sprit hier liegen zu bleiben ist keine gute Idee. Wie ich da so dastehe und weiter nachdenke, kommt mir ein Fahrzeug entgegen, welches anhand seiner Staubwolke schon von weitem sichtbar ist. Es ist ein Mopped, welches wild Schlangenlinien fährt und ein irres Tempo drauf hat. Es sitzen zwei Jungs auf dem Teil, beide total besoffen, ohne Helm versteht sich, etc. Die fahren Schlangenlinien nicht nur wegen dem Alkoholpegel, sondern weil der Fahrer die Strecke wie seine Westentasche zu kennen scheint. Das Mopped auf dem sie fahren ist eines aus chinesischer oder indischer Produktion, die man hier für umgerechnet 900€ kaufen kann. Auf so ein Ding würde ich mich niemals draufsetzen... Die rauschen an mir vorbei, als gebe es kein Morgen.

In dem Moment fühle ich mich wie ein Weichei. Ich stehe da wie ein Idiot, bin bestens ausgestattet, habe das perfekte Bike für die Tour, Sicherheitsklamotten, etc., stelle mich aber an die das letzte Weichei. Dieser Moment gibt mir unglaublich viel Energie zurück. Ich denke, soweit können die Jungs in diesem Zustand nicht gefahren sein, da müsste bald eine weitere Ortschaft kommen. Also wieder rauf aus Bike. Die Knochen etc. tun weh, die Strecke wird nicht besser, doch jetzt nur wenige Stunden später weiß ich, dass nicht die Technik des Motorrads die Schwachstelle ist, sondern ich, das Weichei! Wenn dieses chinesische Mopped(Auch wenn es recht neu ist) hier nicht auseinanderfällt, dann mein Motorrad erst recht nicht, ist auch noch so schwer beladen. Ich bin hier die Schwachstelle! Zum Photografieren fehlt mir schlichtweg die Kraft, sorry Leute, deshalb heb ich keine Bilder der Piste.
Kurz darauf kam ein Abschnitt Asphalt, danach wieder das gleiche(Später erfuhr ich, dass dies wieder so eine typische Straße ist, wo jemand sein Geld gewaschen hat, auf dem Papier ist die Straße fertig, nicht in der Realität). Immer wieder muss ich anhalten wenn mir wieder ein Kamaz entgegen kommt, denn es dauert etwas, bis die Staubwolke sich gelegt hat, weil man nichts sieht, fährt man auch besser nicht. In der nächsten Ortschaft mache ich Halt und frage in einem Häuschen, ob ich bei den Leuten im Garten zelten darf. "Ja schon, aber wieso gehen Sie nicht ins Hotel? Die Stadt ist nicht weit. Das ist doch viel bequemer."(Dass jemand freiwillig zeltet ist für die Russen ein fremder Begriff und einfach nicht nachvollziehbar). Ich erreiche Vitegra um 23:30Uhr. Diese unglaublich hässliche Stadt hat zwei Hotels, das eine ist bezahlbar, aber ausgebucht, das andere einfach nicht bezahlbar und kein Stellplatz für die KTM.
Generell hat eine russische Stadt mit ca. 30.000 Einwohner max. 2 Hotels, das eine ist immer ausgebucht, das andere nicht bezahlbar oder hat keinen Stellplatz fürs Bike. Also was machen? Ich fahre zurück zum Ortseingang, dort wo ich die Tankstelle gesehen habe. tanke voll und frage dort nach, ob es andere Möglichkeiten gibt, ich möchte nur ungerne jetzt bei stark einsetzender Dunkelheit noch ein Zeltplatz mit der lauten KTM in der Nähe einer Stadt suchen, das ist mir dann doch zu gefährlich. Mir gehen völlig schwachsinnige Gedanken durch den Kopf, wie: "Ich könnte doch volltanken, mir einen 20L Kanister Benzin kaufen und die Nacht durchfahren." Wie erschöpft muss man eigentlich sein, dass man auf so eine Idee kommt, dabei gibt jede Maglite besseres Licht als der Scheinwerfer der KTM...
Die Frau meint, dass hier im Ort eine Frau ihr Haus an Besucher vermietet und erklärte mir ungefähr den Weg. Um ca.00:30 Uhr finde ich bei einsetzendem Regen das Haus.



Es ist tatsächlich jemand da! Die Frau meint jedoch, dass die ausgebucht sei(Das Haus ist leer), es tut ihr leid. Daraufhin frage ich sie, ob ich in ihrem Garten etwas schlafen kann, mir fallen bereits die Augen zu und ich kann vor Erschöpfung keinen weiteren Kilometer mehr fahren. Sie meint daraufhin, dass es doch ein Zimmer gibt, jedoch ist es ab 8 Uhr morgen für Besucher reserviert. Ich muss also um 06:30 Uhr das Zimmer verlassen. Ich bin der glücklichste Mensch der Welt in diesem Moment!
Im Haus hängt eine Karte von diesem Gebiet, endlich kann ich mich etwas orientieren...
Ich kann nachts schlecht schlafen, gehe immer wieder raus um zu sehen, ob die KTM noch steht, schließlich bin ich nun eng mit dem Motorrad zusammengewachsen, es ist nicht einfach mehr ein Motorrad, es ist ein Freund geworden!

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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:34    Titel: Antworten mit Zitat

Morgens bin ich wie versprochen früh raus, es ist der Tag, an dem ich es bereits zwei Tage früher zu meinem Großvater schaffen kann! Ich fahre los, die Klamotten sind noch vom Schweiß vom Vortag durchnässt und meine Erkältung ist schlimmer geworden, egal, heute ist der Tag!!!
Kaum fahre ich aus der Ortschaft raus setzt ein sehr heftiger Regen ein.













Die Schlaglöcher der Straße füllen sich mit Wasser, jetzt weiter zu fahren ist wie Russisch-Roulette. Ich bleibe kurz stehen, beschließe aber doch hinter Einheimischen weiter zu fahren. Die kennen jedes Schlagloch und fahren entsprechend Schlangenlinien, wenn man ihnen hinterher fährt ist man auf der sicheren Seite...

Ich fahre am Schild "Mirnij 30km links" vorbei, denke kurz nach und erinnere mich vor einigen Jahren in diesem Ort gewesen zu sein. Hatte eine schöne Zeit dort, also nichts wie rein. Als ich dort ankomme, merke ich, dass es eine andere Ortschaft mit demselben Namen ist. Schade, hier kann ich was frühstücken, gerade wird frisches Brot angeliefert. Die Bewohner des Ortes warten schon drauf, dass der Laden aufmacht, die Alkoholiker warten auf ihre nächste Flasche, da sie meistens kein Geld haben wird lange diskutiert, damit die Verkäuferin auch dieses Mal wieder ein Auge zudrückt. Das ist oft so, in einer Apotheke habe ich das auch beobachtet, die Frauen hier müssen echt stark sein...



Zurück auf der besser ausgebauten Straße, kommt mir ein Motorradfahrer entgegen, ich habe schon seit über 1000km keinen anderen Motorradfahrer gesehen. Ich freue mich tierisch, wir grüßen uns. Weiter geht's, nach einigen Minuten sehe ich ein Motorrad im Rückspiegel, es kommt schnell näher, es ist derselbe Biker, der mir entgegen gekommen ist. Er macht seltsame Handbewegungen, drängt mich anzuhalten, ich weiß nicht genau, wie ich richtig reagieren soll, bremse zunächst, beschleunige dann aber wieder um von ihm weg zu kommen, auf diesen Straßen ist er schneller, holt mich wieder ein. Dieses Mal halte ich an.
Wir plaudern. Es ist in Russland nur so, dass sobald sich zwei Motorradfahrer treffen, man immer anhält und etwas plaudert. Ich frage ihn, wieso er ohne Kennzeichen unterwegs ist, er meint, weil das Motorrad nicht registriert ist und er sowieso keinen Führerschein hat, ist normal hier meint er, die Polizei ist machtlos gegen die Motorräder. Es ist zwar nicht seine Richtung, aber er meint, dass er gerne mit mir mitfahren möchte, ich finde es super, so fahren wir gemeinsam die nächsten ca. 300km, bis Pavel wieder umdreht und in seine Richtung zurück fährt.
Es ist sehr unterhaltsam, wenn eine Polizeikontrolle kommt gibt er richtig Gas und verschwindet aus meinem Blick, bis ich ihn langsam wieder einhole. An der nächsten Polizeikontrolle das gleiche. Ich glaube, dass ich ihm zu langsam bin, es ist mir zu stressig auf diesen Straßen mit 150km/h + zu rasen, ihn auf seiner über 20 Jahre alten Honda mit ausgelutschten Stoßdämpfern scheint es nicht weiter zu stören. An der nächsten Tankstelle essen wir nochmals einen Happen, ehe er sich verabschiedet, er übergibt mir eine Liste mit diversen Nummern von seinen Freunden in der Gegend, falls ich mal Hilfe benötige. Ich checke das Öl, kein Ölverlust whatsoever! Die KTM fühlt sich richtig wohl!





Nach insgesamt guten 4.000km in 5 Tagen macht sich die Müdigkeit langsam richtig bemerkbar, aber nur noch gut 400km, dann bin am Ziel. Mir fällt ein, dass ich einen MP3-Player in der Tasche habe, mit Musik im Ohr bin ich wieder voll motiviert!
Die letzten 300km werde ich wieder von zwei Motorradfahrern begleitet, mit den Jungs macht es richtig Spaß, wir halten oft um zu plaudern, bei Polizeikontrollen sind die Jung genauso drauf wie Pavel. Wir fahren auf einer sehr gut ausgebauten Straße, es ist eine der Hauptverkehrsadern Russlands die ich bisher versucht habe zu vermeiden.
Die Jungs fahren ohne Kennzeichen oder Führerschein, der eine ist noch 16, das Lenkrad seiner 20 Jahre alten Honda fängt ab 130km/h richtig an zu flattern, aber das scheint ihn nicht weiter zu stören, bei 140km/h wird das Flattern schon wieder weniger meint er.

An der letzten Tankestelle vor dem Ziel treffe ich einen Uralfahrer, ich unterhalte mich über die westsibirische Stadt Irbit mit ihm, die ich im Dezember 2012 besucht hatte. Dort werden nämlich diese wunderbaren Motorräder immer noch hergestellt, siehe Reisebericht hier einige Seiten zurück.
Er ist gerade auf dem Weg zurück aus Vladivostok, er hat 3 Wochen Urlaub und ist quer durch Russland auf seiner Ural auf ein Motorradtreffen gefahren. Leute, fragt mich nicht, wie das gehen soll, es ist echt heftig! Er ist fast Tag und Nacht gefahren, wenn er mal nicht gefahren ist, hat er die Ural repariert!

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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:35    Titel: Antworten mit Zitat

Abends komme ich bei meinem Großvater an, zwei Tage früher als geplant. Er ist nicht zu Hause, ich muss mich erstmal auf die Suche nach ihm machen. Ich finde ihn beim Holzhacken, nicht weit vom Haus. Sein Gesicht hättet ihr sehen müssen! Ich bleibe nun 10 Tage bis zu seinem 80ten Geburtstag hier, bis es wieder zurückgeht. Klasse!!!



In Litauen habe ich eigentlich einen Reifenwechsel eingeplant. Ich melde mich bei meinem Freund in Vilnus und sage ihm, dass er die Bestellung wieder stornieren kann, da ich viel im Regen gefahren bin, war der Reifenverschleiß entsprechend niedrig, somit brauche ich keinen Reifenwechsel auf meinem Rückweg. Die Reifen sollten halten.

Spät abends finde ich eine Zecke bei mir und suche in der Nachbarschaft nach einer Zeckenpinzette um diese zu entfernen. Leider hat niemand so etwas und weil die Stelle schon stark errötet ist, gehe ich ins Krankenhaus. Hier gibt es auch keine Zeckenpinzette, die Frau meint, dass es hier um diese Jahreszeit keine Zecken mehr gibt und deshalb keine Pinzette mehr vorhanden ist. Ich glaube eher, dass die nie eine Pinzette gehabt haben! Nun ja, die Arzthelferin hat alles falschgemacht, was man nur falsch machen kann. Sie hat mit einer groben Pinzette die Zecke erst zerquetscht, anschließend den Körper rausgezogen, der Kopf blieb aber stecken. Kein Problem, den Kopf schneiden wir einfach mit der Pinzette raus. Danach habe ich zur Vorsorge noch 6 Spritzen aus alten Glas-Kanülen bekommen, die vorher noch aufgebrochen werden mussten. Als Erinnerung an dieses schöne Ereignis bleibt mir eine kleine Narbe im Oberschenkel.



Da ich sehr müde und stark erkältet bin, lasse ich diese Prozedur über mich ergehen und wehre mich nicht. Ich stelle die KTM in die Garage und falle ins Bett. Ich möchte erstmal kein Motorrad mehr sehen, sondern fahre die nächsten Tage lieber Rad oder gehe zu Fuß. Die nächsten zwei Tage laufe ich wie ein Zombie durch die Gegend, lese viel und gehe täglich zur Massage, damit mein Rücken sich wieder fängt.
Ich denke mir, wenn Du zwei volle Tage gebraucht hast um Dich von der Tour zu erholen, wirst Du unmöglich nach der Rückreise sofort wieder zur Arbeit gehen können. Deshalb habe ich beschlossen so schnell wie möglich nach Opas Geburtstag wieder nach Hause aufzubrechen, damit ich wieder fit zur Arbeit gehen kann.

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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:38    Titel: Antworten mit Zitat

Nach zwei Tagen habe ich wieder richtig Lust Motorrad zu fahren, hier ist es einfach richtig geil, Offroad so viel man will. Ich verbringe sehr schöne 10 Tage hier, mache Tagesausflüge und wohne einige Zeit an einer Datscha am Fluss und lasse die Seele baumeln.
Hier einige Impressionen von den 10 Tagen:















































































































































































Die Weiterfahrt nach Syktywkar habe ich dann aus zeitlichen Gründen nicht unternommen, weil ich hier hohen Besuch aus Sibirien bekommen habe und es unhöflich von mir wäre für ein paar Tage abzureisen.

Opa hat zum 80. Geburtstag eine Stihl bekommen Smile

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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:40    Titel: Antworten mit Zitat

Rückreise

Es hat mir hier sehr gut gefallen, ich möchte eigentlich nicht zurück, aber das muss jetzt sein, das Motorrad steht morgens um 7 Uhr voll bepackt zur Abreise bereit. Ich habe mir vorgenommen die Strecke in 4 Tagen zu fahren um einfach noch Zeit für Erholung zu haben. Die Strecke habe ich leicht modifiziert und etwas verkürzt um einfach keine großen Umwege über Kaliningrad, etc. fahren zu müssen. Ich habe die letzten Tage noch versucht so viele Informationen wie möglich über gute Straßen zu sammeln. Aber wenn fragen? LKW-Fahrer? Taxifahrer? Ich habe zunächst diverse Taxifahrer gefragt, die konnten mir nicht helfen, wie denn auch? Es ist so, als würde ich einen Taxifahrer aus Stuttgart fragen würde, wie die Straße von Kiel nach Hamburg ist. Die LKW Fahrer konnten mir helfen die Route besser zu planen. Die meisten von ihnen jedoch, fahren immer die gleichen Routen und können nur bedingt Auskunft geben.



An dem Tag fahre ich ca. 760km, die extrem schlechten Straßen machen mit mittlerweile nichts aus, hüpfend von Bodenwelle zu Bodenwelle geht es gut voran. In Borovichi finde ich ein Hotel, es war nicht einfach zu finden und die anderen waren schon voll. Borovichi ist eine sehr hässliche Stadt, so wie das Hotel auch, ein Alptraum! Als ich angekommen bin fing es an stark zu regnen. In dem Hotel sind auch drei tschechische Biker untergekommen. Wir sind quasi zeitgleich im Hotel angekommen. Ich bin nur kurz aufs Zimmer um kurz zu duschen, aber aus dem Wasserhahn kam nur braune Brühe raus... Somit bin ich wieder raus um erstmal das Bike sicher unterzubringen. Die Tschechen wollten ihre Bikes einfach vor dem Hotel stehen lassen, ich hielt das für keine gute Idee und organisierte eine Avtostojanka. Das ist ein sehr schnell wachsendes Geschäftsfeld in Russland, ähnlich schnell wie Schinomontashz. Smile)



Bei dieser Avtostojanka, keine 50m vom Hotel entfernt handelt es sich um einen umzäunten Parkplatz, wo man sein Fahrzeug sicher über Nacht parken kann. Für die Sicherheit garantiert eine total betrunkene Frau im Wachhäuschen, die garantiert sofort einschläft und ihr Gewehr nicht wieder findet wenn es mal hart auf hart kommt.

Ich sprach die Frau auf die Wasserqualität im Hotel an. Sie lachte und meinte, dass ich überhaupt froh sein kann, dass Wasser aus dem Hahn kommt. Vor drei Jahren ist die gesamte Wasser-Infrastruktur zusammengebrochen.
Ich muss dazu sagen, dass es in Russland prinzipiell so ist, dass zu Zeiten der Sovjetunion es den Menschen ganz gut ging und die Infrastruktur passte. Jetzt ist es aber so, dass wenn ein Infrastrukturnetz aus der Sovjetzeit zusammenbricht, wird es nicht mehr erneuert. Siehe diese schnucklige Stadt. Die Menschen in Russland sind wahre Improvisationstalente und lassen sich sofort etwas einfallen:
Es wird jetzt einfach das Wasser aus dem Fluss ungefiltert in die Häuser gepumpt, eigentlich ganz einfach! Wenn nur nicht die Tatsache wäre, dass Flussaufwärts ein Teil der russischen Chemieindustrie steht. Die Stadt Cherepovets ist auch nicht weit entfernt, siehe hier Bilder dieser vorbildlichen Stadt, durch die ich an dem Tag durchgefahren bin...









Ich bin also in einen Laden gegangen um mir Wasser zu kaufen, damit ich mich waschen kann und ein paar Bier für die Tschechen. Die Tschechen machen eine entspannte Tour, fahren nur auf den Haupt-Verkehrsachsen, meiden Offroad und maximal 300km am Tag. Ich denke mir: Ihr wisst gar nicht was euch entgeht!

Abends habe ich noch mit meinem Freund aus Vilnius telefoniert, der mich vor fast genau einem Jahr auf das Thema Motorrad überhaupt erst gebracht hat. Ich sagte ihm, dass ich wohl bereits morgen in Vilnius sein werde, zwei Tage früher als geplant. Er ist ganz verblüfft und meint, dass er auf einem Country-Festival in Visaginas ist, wenn ich möchte, kann ich gerne dazukommen. Somit habe ich mir im Internet angeschaut wo Visaginas liegt und wie ich am besten dorthin komme, bei dem Breitband Internet dauerte es über eine 1 Stunde.

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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:41    Titel: Antworten mit Zitat

Tag 2

Nach einem grässlichen Frühstück im Hotel geht es los, ich habe keine Ahnung was den Preis von 15€ rechtfertigt? Vielleicht das Personal von 4 arroganten Damen, die nicht anderes tun als nur dumm rumstehen und keinen Service für ihr Geld bieten?

Heute stehen wieder mal ca. 800km an, das heisst ich muss es richtig fliegen lassen. Die Straßen sind zunächst ganz gut, das heißt, Asphalt mit Schlaglöchern.
Ich habe mich mittlerweile sehr an die Straßen hier gewöhnt und lasse die Kuh richtig fliegen. Manchmal werde ich etwas langsamer und mache mir bewusst, was ich hier eigentlich mache und das nächste Krankenhaus hunderte Kilometer entfernt ist. Ein Krankenhaus habe ich von innen ja bereits gesehen. Deshalb gibt es diese zu meiden. Noch vor gut zwei Wochen bin ich im Vergleich dazu wie eine Gurke hier um die Straßen geschlichen, war mehr der Cruiser, im Gelände sowieso. Jetzt sieht es anders aus, ich habe nun mehr Vertrauen in die Möglichkeiten des Motorrads gewonnen und fahre sehr, sehr zügig, jedes Fahrzeug, das nicht in 3 Augenblicken von der Straße ist, wird überholt. Zu meiner Verwunderung, werde auch ich immer noch überholt, teilweise von vollbeladenen Dacias und das auf diesen Straßen und dem hohen Tempo.
Die Leute sind echt lebensmüde hier. Hätte ich aber 14 Tage zurück so einen Biker gesehen wie mich, hätte ich nur den Kopf geschüttelt, aber man gewöhnt sich unglaublich schnell an solche Straßen. Die KTM tänzelt locker am Lenkrad kontrolliert über die Straße und ich jubele vor Freude! Ich muss nicht zusätzlich erwähnen, dass es wieder regnet... Ich erreiche die große Verkehrsachse zwischen Moskau und St. Petersburg, treffe hier einen anderen Biker, der gerade aus Estland kommt und auf dem Weg in den Süden zu einem Motorradtreffen ist. Wir trinken warmen Tee und essen einige Piroschki, das ist auch bitter nötig, ich bin nämlich total durchgefroren.

Jetzt ist es mit der Einsamkeit aus, es herrscht unglaublich dichter Verkehr, die Straße ist sehr gut ausgebaut, teilweise zweispurig, man fühlt förmlich die Aggressivität der anderen Verkehrsteilnehmer. Aber ich bleibe nicht lange hier auf der Straße, nur ca. 70km bis Velikij Novgorod. Die Ausfahrt verpasse ich und fahre zunächst weiter nach St. Petersburg, umdrehen unmöglich, also brav bis zur nächsten Ausfahrt auf der Spur bleiben Sad Schon fast wie in Deutschland...

Jetzt beginnt eine Odyssee, dabei muss ich die Stadt Velikij Novgorod einfach nur umfahren und das ist immer ein Problem in vielen russischen Städten. Man fährt rein und möchte einfach nur am anderen Ende wieder rausfahren. Denkste! Russische Städte lassen Dich ohne Ärger nicht einfach so gehen. Es gibt keine Schilder, Passanten geben Dir nur grobe Hinweise, Taxifahrer tippen in ihren Navis, können Dir aber doch nicht helfen. Was für ein Alptraum, ich fahre 1,5 Stunden durch diese Großstadt, ehe ich den Ausgang finde. Dabei habe ich noch keine richtige Pause gemacht... Heute läuft mir die Zeit davon, ein Stressgefühl stellt sich ein, ich weiß, dass ich noch nicht mal die Hälfte der Etappe gefahren bin, aber es ist schon früher Nachmittag und ich stecke in dieser Stadt fest. Ich habe andere Motorradfahrer später am Tag auf dieses Problem angesprochen, die sagen auch nur, entweder Du hast ein Navi, oder Du fragst Dich durch.
Ich suche wieder meine Uhr heraus, es wird ein stressiger Tag.
Endlich raus aus der Stadt, weiter Richtung Lettland, die Straßen werden immer schlechter und schlechter. Ich habe das Gefühl, dass Russland mich nicht gehen lassen will, es gibt wieder einen munteren Wechsel zwischen Sand und Asphalt.





Die russischen Straßen fordern nochmals die letzten Energiereserven von mir, es ist wieder alles dabei, ich bin zwar viel besser im Umgang mit dem Motorrad geworden, trotzdem ist das Bike an diesem Tag wieder ein paar Mal umgefallen. Ich bekomme nochmal die ganze Bandbreite Russlands geboten, betrunkene Erwachsene die tagsüber über Straßen in verlassenen Dörfern torkeln, bis hin zu schönen Landschaften und Neureichen in ihren Porsche Cayenne.
Als ich denke auf der richtigen Straße zu sein und ca. 1,5 Stunden in die falsche Richtung der Ukraine fahre, ist der Gau perfekt. Ich habe bereits 700km auf der Uhr und bin noch so weit von Visaginas entfernt ich habe keine Ahnung wo der nächste Grenzposten ist. Nette Polizisten helfen wir den richtigen Weg zu finden. Auf den letzten 50km vor der Grenze ist die Straße wieder sehr anspruchsvoll, ich fahre aufrecht stehend mit max. 60km/h, während LKW mit einem irren Tempo an mir vorbeirauschen und mächtig Staub aufwirbeln(Keine Ahnung wie ihre Achsen das aushalten). Russland will mich einfach nicht gehen lassen und bietet nochmals Regen und Wind auf. Ich weiß nicht wieso, aber Russland scheinen seine Grenzposten völlig egal zu sein. wie oben in Finnland, aber speziell hier gibt es kaum Straßen zum Grenzposten hin, dabei ist es doch gerade dieses Verkehrsnetz für ein Land so wichtig!
Ich erreiche in einer Staubwolke umhüllt die Grenze nach Europa, ein schöner Sonnenuntergang begrüßt mich, wieder Papierkram, jedoch werde ich als Motorradfahrer vorgewunken, trotzdem muss ich fast alles aus den Koffern und der Sporttasche ausräumen... Meine Dokumente, für die ich bei meinem Opa 1 Tag Zeit in die russische Bürokratie investiert hatte, interessieren niemanden hier, also das nächste Mal es einfach sein lassen!

Egal, endlich in Europa, ich dachte eigentlich, dass ich in Russland entspannt war, dieses Gefühl, dass sich jetzt einstellt belehrt mich eines Besseren. Es fällt eine großé Last von meinen Schultern, ich kann die Ordnung förmlich spüren, es fühl sich fast an, wie nach Hause zu kommen. Es ist schon nach 19 Uhr als ich die Grenze überquert habe. Nur noch ca. 250km, es ist wirklich nichts, wenn man bedenkt, wie viel man bereits gefahren ist. Nach nunmehr zwei Tagen Fahrt fühle ich mich richtig gut, nur die Schulter macht dieselben Probleme wie bisher, es ist wohl etwas mechanisches, ansonsten fühle ich mich ganz gut. Die perfekte lettische Straße lässt mich erstmals richtig fühlen, in welchem Zustand meine Reifen sind. Durch den einseitigen Verschleiß der Reifen, bekomme ich Lenkradflattern, halte ich es nicht mit beiden Händen richtig fest und die KTM ist auch nicht mehr so richtig kurvenwillig.

Oh nein, auch das noch, eine sehr lange Baustelle hier in Lettland, das bedeutet wieder Zeitverlust. Hier sehen die Baustellen anders aus, es wird nicht eine provisorische Straße asphaltiert, damit der Verkehr wieder schön fließt, nein, alle Fahrzeuge quälen sich auf einer provisorischen Schotter- und Sandpiste mit 30km/h.
Da ich gerade aus Russland komme, bin ich ganz anderes gepolt. Man glaubt gar nicht, wie schnell sich der Mensch auf neue Gegebenheiten anpassen kann...
Für mich jedenfalls scheint die Schotter- und Sandpiste wie eine perfekte Autobahn zu sein, schließlich bin ich noch vor ein paar Stunden mit bis zu 100km/h über solche Pisten gebrettert. Yeeeha!!! Also, weit und breit keine Polizei, los geht's ans überholen, wenn es mal nicht geht, fahre ich durch die Wiese. Irgendwann habe ich den Pulk der Autos überholt und fahre sehr zügig über diese provisorische Straße, die KTM hüpft vergnügt von Schotterhügel zu Schotterhügel. Ist das geil, was für eine gut preparierte Piste, denke ich mir, nur bis zur nächsten roten Ampel...

Ich fahre mit 130km/h konstant in einer 100er Zone, ich sehe dass hinter mir ein Fahrzeug fährt, durch die Vibrationen im Rückspiegel kann ich es aber nicht erkennen. Erst als es langsamer wird und wendet, sehe ich, dass es ein Streifenwagen war. das Glück ist wie immer auf meiner Seite und ich werde es sicher schaffen, nur, reicht der Sprit?



In Daugavpils folge ich einer falschen Straßenbeschreibung eines Passanten und fahre wieder Richtung Weißrussland... Die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden, es wird kalt, also schnell wieder zurück, der Tank ist leer, ich fahre schon eine Weile auf Reserve. Nur noch über die Grenze nach Litauen, es ist nicht mehr weit. Nach einer 80km Fahrt auf Reserve, erreiche ich das Festival, es liegt mitten in einer fast verlassenen Landschaft, ich dachte schon, ich erreiche es nie.

Angekommen freue ich mich auf das Wiedersehen mit meinem Freund, nur erkenne ich ihn kaum noch, weil er in seiner Harley-Kluft wie verwandelt aussieht. Zum Aufwärmen gibt es Ballentines und ein Kaminfeuer, sehr lecker so ein Ballentines auf den leeren Magen... Ich habe mich heute unterwegs nur von Opas Gurken ernährt. Smile
Das Hotel, dass er mir gebucht hat, haben wir wieder storniert, er wusste nicht, dass ich ein Zelt dabei habe und ich wusste zunächst nicht, was das für ein Festival ist und ob man hier zelten kann Smile

Zelt steht, auf geht's zum Feiern.



Es gefällt mir so gut hier, dass ich beschließe einfach einen Tag hier zu bleiben und einfach eine gute Zeit zu verbringen.
Am nächsten Morgen ist das Wetter ein Traum und alle sind noch besser drauf. Alle die vorbeilaufen sind verwundert, was meine KTM mit dem dänischen "D" Kennzeichen hier macht und wie ich herkomme.







Zu meiner Verwunderung jedoch, war keiner der Biker hier jemals in Russland, obwohl die meisten von ihnen gutes Russisch sprechen, scheinen alle vor etwas Angst zu haben.
Es ist ein wundervoller Tag, Wassermelone essen, im See baden, der zur Kühlung eines Kernreaktors benutzt wird, dadurch ist das Wasser sehr warm und lädt zum Baden ein, sehr idyllisch hier.



Diese Stadt wurde von den Russen errichtet, hier steht ein Atomkraftwerk hier, den russische Ingenieure errichtet haben und weiterhin warten. In dieser Stadt wohnen immer noch fast nur russischen Ingenieure und ihre Familien.
Als die Biker hier ein Nationalgericht(Zepellinas) bestellen wollen um mir ihre Küche zu zeigen(Die übrigens hervorragend ist, das weiß ich noch von 2012), kommt es zu interessanten Diskussionen, hier gibt es nämlich nur russische Küche und auch das Servicepersonal spricht nur Russisch. Die Auseinandersetzungen sind sehr amüsant zu beobachten. Ich fühle mich hier wie in den 80ern zu Sovjetzeiten hier, alles ist noch top gepflegt, so wie es sein sollte. Abends konnte ich mein zweites je gefahrenes Motorrad fahren, eine Harley Sportster! Ist jetzt keine handliche KTM, aber hat auch seinen Reiz.



Wir verbringen einen wundervollen Tag, doch morgen muss ich aufbrechen, übermorgen möchte ich zu Hause sein.

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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:42    Titel: Antworten mit Zitat

Tag 4

Heute geht es über Warschau nach Posen, gute 1000km. Die Biker wollten mich morgens bis Mirijampole begleiten, jedoch konnte ich mir unmöglich vorstellen, dass sie nach der Feier gestern Abend in der Lage sind Motorrad zu fahren. Ich breche um 8 Uhr alleine auf, hinterlasse ihnen lediglich einen Warnzettel, weil die Polizei gleich hinter der Stadt Alkoholkontrollen durchführt.
Vor Warschau bin ich im Stau meines Lebens, es geht nur schleppend vorwärts, die Straße ist teilweise zweispurig in meiner Fahrtrichtung, doch ich kann mich nur schwer zwischen den Autos durchquetschen und halte die bereits hupenden Biker hinter mir nur auf. Was soll ich machen? Herumsitzen und warten? Ich schaue mich um, hmmm, da gibt es doch eine andere Lösung. Da ich gerade noch frisch aus Russland komme, ticke ich immer noch anders. Also fahre ich einfach auf die Wiese neben der Fahrbahn, das Gras ist etwa kniehoch. Plötzlich bin ich schneller als die Bikes, die sich in der Mitte der Fahrbahn durch den Verkehr kämpfen. Ihr verstörter Blick und Kopfschütteln waren einfach unbezahlbar! Mit der KTM geht's halt überall. Es stand seitlich ein Streifenwagen, den ich zu spät bemerkte, aber keine Reaktion, dabei haben mich litauischen Biker so sehr von der polnischen Polizei gewarnt Smile))

Ich mache einen kurzen Halt in Warschau, muss aber weiter, weil ich durch den Stau so viel Zeit verloren habe. Als die Nacht hereinbricht, bin ich noch nicht in Posen, ich versuche noch ein Hotel zu finden, vergeblich alles belegt, deshalb übernachte ich wieder im Zelt... Die letzte Etappe von Warschau bis hierher hat mich total genervt, diese Autobahnfahrt ist einfach nur öde, da ich jetzt erfahren habe, was die Essenz des Motorradfahrens ist, freue ich mich auf unsere Straßen rund um Schwäbisch Hall und auf die Alpen! Ich muss dieses Jahr noch unbedingt die Alpen überqueren.




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BeitragVerfasst am : Do, 19. Dez 2013, 0:44    Titel: Antworten mit Zitat

Tag 5

Heute Abend möchte ich zu Hause sein, mir fällt ein, dass ich in Polen ja mein Navi benutzen kann. Das Navi zeigt etwas über 870km bis nach Hause, das ist doch gar nichts denke ich mir und fahre los. In Frankfurt an der Oder wartet schon das Empfangskomitee auf mich, dunkle, schwarze Wolken. Ab der deutschen Grenze fängt es an zu regnen und es wird bis nach Hause nicht mehr aufhören. Die Autobahnfahrt ist einfach nur öde und es gibt nichts zu berichten, außer dass ich kurz vor Schluss in einer Baustelle bei Nürnberg von einem Rentner im Dacia über Haufen gefahren wurde: Er wechselte die Spur ohne mich zu sehen, ich bin wegen der Schulter wieder aufrecht stehend gefahren. Ich bremste stark, bei Nässe blockierte kurz das Vorderrad, ich bin aber zu Glück nicht vorneüber gefallen. In Russland war das Fahren nicht so gefährlich wie hier!

Angekommen zu Hause...












Irgendwie war ich überrascht nach nur 4 Tagen Fahrtzeit zu Hause angekommen zu sein. So überrascht, dass ich mich eigentlich noch auf eine lange Fahrt eingestellt habe und deshalb gerne noch weiter gefahren wäre. Die Rückfahrt hat mir überhaupt nichts ausgemacht, ich hätte noch fahren und fahren können, ich sitze jetzt locker auf der KTM, nicht so verkrampft wie die ersten Tage, deshalb bin ich eigentlich recht entspannt zu Hause angekommen, ich habe noch 3 Tage um mich vor der Arbeit auszuruhen, perfekt!

Ich schreibe diesen Reisebericht gerade im Flugzeug sitzend zu Ende. Ich fliege zurück aus Shanghai, die Route führt über Syktywkar, die baltischen Länder, Polen etc. Wie einfach und komfortabel ist es doch zu fliegen... 11km unter mir verlaufen die Straßen, auf denen ich unterwegs war.





Ich bin insgesamt sehr positiv von der Tour überrascht, es war eine sehr angenehme Tour, ohne technische Probleme oder Probleme mit der örtlichen Polizei, ich habe die Beamten lediglich nach dem Weg gefragt, sonst haben sie mich in Ruhe gelassen. Mein Schmiergeld kam nicht zum Einsatz. Ich hätte es mir nie träumen lassen, dass es so glatt laufen kann.

Auf den letzten Tagen der Tour habe ich mir immer wieder vorgestellt, wie es wohl sein wird, auf unseren Straßen hier im Hohenlohe-Land die KTM zu fahren, es wird sicher einfach unglaublich. Am Übernächsten Tag freue ich mich auf den Moment es zu testen. Die KTM ist entladen, die Federvorspannung und die Zug- und Druckstufensettings sind ideal eingestellt. Los geht's!!!

Nach nur 15 Minuten komme ich enttäuscht zurück, wir haben zwar tolle Straßen hier, Fahrspaß kommt bei mir aber keiner auf. Es fehlt dieses essenzielle Gefühl wofür die KTM eigentlich konstruiert wurde. Dieses Gefühl von Freiheit, das Fahren über schlechte Straßen, das gemeinsame leiden und erleben, sich durch Widrigkeiten kämpfen, etc. Einfach all die Dinge, die uns so zusammengeschweißt haben. Die Essenz des Motorradfahrens ist hier eine andere, es fehlt dieses Kameradschaftliche Gefühl unter Motorradfahrern, es ist nicht mehr als ein von A nach B zu kommen. Um Spaß zu haben muss man hier in Deutschland mit dem Gesetz in Konflikt treten, dann hat man aber ein unverantwortliches Tempo drauf. Die KTM ist ein perfektes Motorrad, aber nicht für Deutschland, das Fahrwerk ist unterfordert, der Motor darf nicht seinen Drehzahlsong hinaus in die Welt posaunen. Hier in Deutschland wird die KTM austauschbar, es könnte ein x-beliebiges anderes Fahrzeug sein. Nach so einer Tour macht das Motorradfahren hier keinen Spaß, schon garnicht, wenn man mit dem Caterham-Virus infiziert wurde.

Ich habe ernsthaft über den Verkauf meines treuen Freundes nachgedacht, mir blutet das Herz. Ein schönes, klassisches Straßenmotorrad macht hier aber mehr Sinn, oder es wird gar kein Motorrad mehr, sondern wieder ein Rennwagen... Seit dem steht die KTM und wartet auf das nächste Abenteuer, ein trauriger Anblick!

Das Motorradfahren möchte ich erstmal nicht an den Nagel hängen, aber was tun? Hier in Europa gibt es keine Abenteuer mehr. So habe ich mir gedacht nächstes Jahr nach Argentinien zu fahren, mir dort ein gebrauchtes Motorrad zu kaufen, damit eine schöne Tour zu machen und für einen ähnlichen Preis wieder zu verkaufen.
Doch vorgestern flüsterte mir eine Bekannte ins Ohr, dass es da eine interessante Militärstraße zwischen Frankreich und Italien gibt, an die Cote d'Azur wollte ich sowieso schon immer mal... wer weiß?

Diese Woche geht es nach Dubai, ich hoffe, dass ich dort etwas durch die Wüste mit einer gemieteten Enduro fahren kann, danach geht es noch in diverse asiatische Länder, da möchte ich auch auf kein Zweirad verzichten, mal sehen, was sich so ergibt und was man dort mieten kann. Im Urlaub macht ein Zweirad echt Sinn.

Ich wünsche allen meinen Freunden, Kollegen und den Forenmitgliedern die das lesen schöne Feiertage, wir sehen uns nächstes Jahr!


Robert Losing

P.S., eventuell kann der Thread jetzt in den Bereich "Reisen" verschoben werden...

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